Geposted von Knochen,
Die Geschehnisse der letzten Tage bringen CS:GO in die wahrscheinlich größte Krise der Geschichte. Die finanzielle Lukrativität zeigt die Schattenseiten vom Erfolg und das Cheaten ist so präsent wie niemals zuvor. Während Cheating im Public und Matchmaking immer präsent war, ist es nun in der Profiszene angekommen. Ob KQLY und SF nur die Bauernopfer sind und vieles mehr behandelt die Meinung von Matthias 'Knochen' Remmert. Ich bin seit dem Jahr 2001 aktiv im eSport unterwegs und stehe seitdem hinter dem Spiel Counter-Strike - mit all meiner Energie, Zeit und Lebensfreude. Die aktuellen Geschehnisse sind auf einem Level, wo man sich viele Fragen stellt, auch die Frage, ob es hätte verhindert werden können. Es scheint unbegreiflich, was gerade mit dem Spiel passiert und man kann nur hoffen, dass der Zusammenhalt der Szene und der Liebe dem Spiel gegenüber alles überwiegen wird. Dennoch wollte ich meine Gedanken zu diesem Fall niederschreiben, um auch für mich mehr Hintergründe und die Frage nach dem Warum zu finden.

Der Erfolg von CS:GO und seine Schattenseiten

Durch den starken Erfolg von CS:GO innerhalb der letzten 12 Monate ist auch die Lukrativität, in und mit dem Spiel Geld zu verdienen, deutlich gestiegen. Während es zu früheren Zeiten in CS immer mal wieder Turniere mit Preisgeldern im 5-stelligen Bereich gab, sind wir mittlerweile im 6-stelligen Bereich angekommen. Ein Profispieler in CS 1.6 in Deutschland konnte früher im Bereich um 800 EUR verdienen. Im internationalen Bereich gab es auch Spieler die bei 1.000-1.500 EUR lagen. In den Anfängen von CS:GO wurden solche Gehälter bei weitem nicht erreicht, aber 2013 wurden die Weichen gestellt, CS:GO wurde erfolgreicher, die Spielergehälter stiegen und mehr und mehr Vollzeit-Teams haben sich entwickelt. Einhergehend entwickelten sich auch die Preisgelder und alleine mit den vier Major-Events von VALVe, inklusive der bevorstehenden DreamHack Winter, gab es über 1.000.000 USD zu gewinnen. Während 2012 noch über 150.000 EUR Preisgeld ausgespielt wurden, waren es 2013 bereits 750.000 EUR und 2014, bis zum heutigen Tag, über 900.000 EUR.

Der Verlauf durch die drei Major-Events

Lassen wir das Preisgeld beiseite und werfen einen Blick auf die Sticker-Verkäufe, die es speziell zu den Major-Events gibt. Während die EMS One Katowice der erste Versuch war, mit entsprechenden Team-Stickern Geld zu verdienen, zeigte die ESL One Cologne dann ihr volles Potential. Die Teams haben insgesamt durch die EMS One Katowice 200.000 USD über die Sticker eingenommen, die nach den entsprechenden Verkäufen aufgeteilt werden. Für die ESL One Cologne hat sich der Betrag versechsfacht und es wurden 1.200.000 USD verdient. Eine Zahl ist in den letzten Tagen aufgetaucht, was für ein Team dabei rausspringen kann, nämlich bei den Copenhagen Wolves. Über 50.000 USD konnte das Team durch die Verkäufe verdienen. Geld, was man durch die Teilnahme an einem Major also zusätzlich zum Preisgeld verdient. Der Fall tauchte auf, nachdem der Team-Manager sich mit dem Geld aus dem Staub machte - wir berichteten.

Neben den Verdiensten für die Spieler können auch die Zuschauer mittlerweile ganz gut mitverdienen - nämlich durch eSport-Wetten. Dabei gibt es zum einen die Skin-Wetten, bei denen man seine eigenen Skins wettet und bei korrekter Wette bessere, gleichbedeutend, teurere Skins zurückerhält. Zum anderen gibt es aber auch Echtgeld-Wetten, die ebenfalls lukrativ sein können. Natürlich können auch hier die Spieler selbst wetten, auch wenn durch Fälle in diesem Jahr mittlerweile versucht wird ein Riegel bei eigenen Spielen vorzuschieben. Die Wetten werden allerdings zum Großteil auf eine zusätzliche Manipulation zurückgeführt: dem DDoS. Die Online-Spiele werden also bei einem Spielstand, der nicht positiv für die Mehrheit der Wetter ist, so manipuliert, dass im schlimmsten Fall ein Spielabbruch droht und somit die Wette annuliert werden muss und die Einsätze zurückgezahlt werden.

Ein weiter Fall, welcher in der CS-Szene für ein großes Aufsehen sorgte, war der Bitcoin-Skandal in der ESEA. Einer der Programmierer baute in den Anti-Cheat-Clienten einen Bitcoin-Link ein und nutzte dabei 14.000 Computer weltweit, die davon nichts wussten. Zur damaligen Zeit wurde ein Wert von 3.700 USD erzielt, heute könnte dieser einen Wert von Millionen, aber auch wenigen Cents haben. Auch hier wurde bewusst manipuliert, um sich selbst zu bereichern.

All diese Fälle und Summen zeigen also, dass wir bei einem Level angelangt sind, dass es eine Attraktivität für Betrüger hat. Die Community, Spieler, Organisationen, Ligen, Events, Veranstalter, Community-Seiten und der Publisher selbst sind also gefragt wie nie, in dieser Zeit zusammenzuhalten und an einem Strang zu ziehen. Die Frage, ob es also rentabel ist im eSport zu betrügen, dürfte geklärt sein und führt uns zum Thema selbst: das Cheaten.

Doping im Sport und im eSport

Der aktuelle Fall überschattet die Szene und es werden Vergleiche mit den Vorfällen im Radsport, welche 2012 aufgedeckt wurden und als der größte Skandal in der Geschichte des Radsports gelten, gezogen. Sicher scheint, wo Geld fließt, wird auch betrogen und so sind nach den kürzlichen Ereignissen die Parallelen zum realen Sport nicht weit hergeholt. Doping im eSport kommt immer wieder als Thema hoch, aber nie war es so präsent und schlug solch große Wellen wie in diesen Tagen. Die Mutter aller Doping-Skandale war 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul, als der kanadische Sprintstar Ben Johnson im 100-Meter-Finale eine Weltrekordzeit von 9,79 Sekunden aufstellte. Die aktuellen Skandale in der CS:GO-Szene decken womöglich einen der größten Fälle in der Geschichte auf und scheint aufgrund der Vielzahl der involvierten Spieler mit den Fällen aus dem Radsport vergleichbar. Einer der bisher größten Skandale im eSport wurde 2010 in der StarCraft: Brood War Szene aufgedeckt, bei dem es um manipulierte Spielausgänge ging und sich um Wettbetrug drehte. Auch in der League of Legends Szene ereignete sich 2012 ein Fall in der Major League Gaming Summer, als die beiden Mannschaften Team Dignitas und Curse NA das Spiel in einem Ausmaß manipulierten, dass sie danach beide disqualifiziert wurden. Einen solchen Fall wie aktuell ist in diesem Ausmaß noch nicht vorgekommen und kostet nicht nur die Szene sondern auch die Spieler selbst erheblich an Reputation. Ist der Druck für einen Spieler also zu hoch oder ist die Abhängigkeit des Geldes eine zu wichtige Komponente?


Der Erfolgsdruck und das Geld

Durch die Entwicklung des Spiels ist die Ausrichtung für eine Organisation (Clan) auf das Spiel Counter-Strike: Global Offensive immer attraktiver. Das Business im eSport ist relativ klar. Mal außen vorgelassen, warum ein Titel ein erfolgreicher Titel ist oder wird, liegt das Offensichtliche auf der Hand. Ein guter Wettbewerb bringt viele Zuschauer, welche wiederum von den Sponsoren angesprochen werden sollen und somit über die Teams für einen Absatz der Produkte sorgen. Die besten und erfolgreichsten Teams gehen folglich mit dem meisten Geld nach Hause. Das zeigt sich immer wieder bei den Ninjas in Pyjamas, die neben einer Menge Merchandise auch sonst einiges für ihre Marke tun. Sei es eine eigene Schokolade, ein Burger oder ein Bus, der mit den Spielern gebrandet ist. Die Ninjas in Pyjamas sind die aktuell erfolgreichste Marke im eSport und weit über ihre Grenzen in Schweden bekannt.

Klar, dass die anderen Organisationen etwas vom Kuchen abhaben wollen und nach einer gewissen Zeit auch der Erfolg eine Rolle spielt, ansonsten sind die Verhandlungen mit Sponsoren und Partnern schwer. Auch wenn man also immer wieder mal das Argument hört, dass man den Spielern keinen Druck mache und man lieber auf ein beständiges Lineup setzt, kommt man irgendwann nicht mehr daran vorbei auch mal einen Titel zu holen oder zumindest in den vorderen Rängen mitzuspielen. Wenn seitens der Teams selbst noch das ausbleibt, kommt der Druck spätestens von den Spielern selbst. Wer möchte schon gerne immer nur Zweiter werden oder immer in der Gruppenphase rausfliegen?

Zu Beginn von Counter-Strike: Global Offensive dominierte ein Team jedes Turnier: Die Ninjas in Pyjamas. Nun kann man sich also die berechtigte Frage stellen, ob das Team einfach zu stark war und die anderen Teams den Anschluss nicht finden konnten. Ist ein Team also emotional am Boden, ist es sicherlich leichter für Cheat-Coder an die Personen ranzukommen und ihnen durch etwas Unterstützung nachzuhelfen und den Spieler besser zu machen. Macht man sich also diese Gedanken, erscheint es realistischer denn je und auch die Frage nach dem warum erscheint einen Sinn zu ergeben. Warum aber ein Spieler sich dazu hinreißen lässt ist nur in der Existenz zu erklären.

Während es zu Beginn von CS:GO fast nur die Ninjas in Pyjamas als gesamten Teams als Vollzeitspieler gab, haben wir mittlerweile mehr als eine Hand voll Teams, die nichts anderes tun, als ihre gesamte Zeit in das Spiel zu investieren und von dem Geld, das sie damit verdienen und erspielen, zu leben. Als Vollzeitspieler ist es somit riskant den Anschluss an die Spitze zu verlieren und auf einem Turnier zu versagen oder sogar gar nicht erst an einem Turnier teilnehmen zu können.

Mit dem obigen Absatz über die Verdienstmöglichkeiten steht außer Frage, was für Umsatzeinbußen ein Spieler oder eine Organisation hat, wenn man nicht an einem Major-Event teilnimmt. Man kann sogar so weit gehen und sagen, wenn ein Team an allen Major-Events teilnimmt und es unter die Top 5-8 schafft, kommt man mit den Sticker-Verkäufen auf realistisch 2.500 USD pro Monat pro Spieler - ohne das monatliche Gehalt. Für eine Organisation kann es also durchaus positive Anreize haben auf solchen Events vertreten zu sein, wie auch für die Spieler selbst. Die richtige Schlussfolgerung sollte aber nicht lauten zu unerlaubten Hilfsmitteln zu greifen, sondern durch Arbeit und Fleiß an diese Stelle zu kommen. Klar ist nur eines: Ist der Erfolg da, fließt das Geld, Organisationen bekommen die besten Teams und somit auch die besten Sponsoren, womit sie sich wiederum die besten Teams leisten können. Kurz gesagt - ein Teufelskreis. Dennoch sollte an oberster Stelle das Fair-Play stehen. Es liegt also an den fairen Spielern und Teams selbst gemeinsam dagegen zu kämpfen und sich dafür einzusetzen. War es das nun also oder folgt da noch mehr?

KQLY und SF als Bauernopfer


Die VAC-Bans haben ohne jeden Zweifel für ein enormes Aufsehen gesorgt. Die Wellen sind in alle Richtungen geflossen, aber dabei ist eine Frage auf der Strecke geblieben: Zu welchem Zweck? Für viele Leute stand fest, dass es nur der Anfang sein kann. Bereits am Freitag wurden die nächsten Bans erwartet, doch allerdings ohne Erfolg. Wollte VALVe also nur ein Exempel statuieren, um den restlichen, bisher unentdeckten Betrügern ein Signal zu senden? Sind KQLY und Sf nur die Bauernopfer, um den Rest zu schützen und Ruhe einkehren zu lassen? Das Thema VAC-Ban im Zusammenhang mit der DreamHack ist ein sehr gefährliches und es gibt für mich 3 Optionen.

Option 1
Alle weiteren überführten Spieler erhalten vor der DreamHack Winter einen VAC-Ban

Die Folgen wären verheerend, denn nicht nur die Sticker sind bereits alle angelegt, auch der Last-Call Qualifier ist im Gange und die Spieler der teilnehmenden Teams der DreamHack sind bereits im gemeinsamen Bootcamp in Stockholm. Neben dem Imageschaden für das Turnier auf der DreamHack wäre es auch ein erheblicher Schaden, Mehraufwand und Mehrkosten für VALVe. Weitere Teams, die also vor der DreamHack disqualifiziert würden, müssten durch neue Teams aufgefüllt werden. Innerhalb so kurzer Zeit wäre das ein immenser Kraftakt.

Option 2
Alle weiteren überführten Spieler erhalten nach der DreamHack Winter einen VAC-Ban

Eine Variante, die eigentlich nicht viel Sinn ergibt, denn für VALVe wäre die Gefahr zu groß, dass ein Team mit einem Spieler, welcher nachträglich einen Ban erhält, die DreamHack Winter und damit 100.000 USD Siegprämie erhält. Die Kritik, welche nachträglich hageln würde, wäre wahrscheinlich ein größerer Schaden als nun vorab durchzugreifen. Glauben wir den Listen, die zuletzt in diversen News und Foren diskutiert wurden, betrifft es nicht nur ein Team, sondern einige der Top-5 Teams. VAC-Bans nach der DreamHack wären so unwahrscheinlich, da das gesamte Turnier keine Berechtigung mehr hätte und die geschädigten Teams, die somit also nicht in den vorderen Rängen gelandet sind, eine Neuauflage des Turniers fordern würden sowie eine Umverteilung der Preisgelder.

Option 3
Es wird nichts passieren, KQLY und Sf bleiben die einzigen VAC gesperrten Spieler

So schade und traurig es auch klingt ist diese Option wohl die logischste. VALVe wollte ein Zeichen setzen und den anderen Übeltätern zeigen, dass es ab jetzt keine Chance mehr gibt zu betrügen. Die DreamHack Winter hat bereits angekündigt spezielle Vorkehrungen zu treffen, ein Spieler, der also auf diesem Event wirklich noch betrügen sollte, muss sich so sicher sein unerkannt zu bleiben, dass es wirklich ein kriminelles Handeln voraussetzt. Vielleicht wird VALVe die Spieler selbst vor Ort konfrontieren, jedoch haben die VAC-Bans vor dem Event nur eines gezeigt, dass die anderen, bisher nicht erwischten, es ab sofort unterlassen sollten. Dafür mussten eben zwei Köpfe rollen und zwei Teams wurden damit bestraft. Das ist aber das kleinere Übel verglichen damit, was es für das Spiel, die Szene und die Community bedeuten würde, wenn weitere Top-Teams folgen würden. Nun ist jeder gewarnt, auch die Cheat-Coder, dass VALVe den nächsten großen Schritt gemacht hat in Richtung Cheaterbekämpfung - aber mit welcher Konsequenz?

Die Konsequenzen für die kompetitive Szene

Abhängig davon für welchen Weg sich VALVe entscheidet kann es einen Neuanfang, den Untergang oder die Zeit des Misstrauens bedeuten. Damit kommen wir zurück zum Vergleich mit dem Radsport. Es gab eine Phase wo man keinem mehr geglaubt hat, dass es ohne Doping gelaufen ist. Danach folgte ein Quoteneinsturz und das Interesse an dem Sport ist gesunken. Aktuell erlebt der Radsport seinen Neuanfang und muss sich die Reputation wieder aufbauen, ob es jemals wieder an einen Punkt der erfolgreichen Zeiten anknüpft ist nach wie vor offen.

Gibt es keine weiteren Konsequenzen seitens VALVe wird man über lange Zeit den Profispielern die Stärke und Leistung nicht glauben. Auch wenn uns nun das wahrscheinlich sauberste Event der letzten Monate bevorsteht, wird dennoch jede strittige Situation bis aufs kleinste diskutiert werden. Folgt die Säuberung durch VALVe, wird das Spiel erheblich an Reputation verlieren, aber man könnte wieder Vertrauen aufbauen und die Spiele genießen ohne einen Glauben daran verschwenden zu müssen, ob das nun eine Situation war, wo der Skill des Spielers entschieden hat oder ein Hilfsmittel. Wie es auch kommt, die Cheat-Coder werden sich etwas neues einfallen lassen, weshalb die Konsequenzen für den kompetitiven Sport noch viel weitreichender sein könnten und müssten.

Online-Spiele müssten wahrscheinlich auf Offline-Veranstaltungen wechseln, was wiederum erhebliche Kosten verursachen würde. Zudem müssen bei Offline-Veranstaltungen Vorkehrungen getroffen werden, dass mit gestellten Accounts gespielt wird. Die Spieler und alle Beteiligten innerhalb der Szene müssen sich dafür einsetzen und für Fair-Play stehen. Doch das bringt uns zur nächsten Frage: Wie soll man sich für etwas einsetzen, wenn ich nicht mal weiß, ob mein eigener Mitspieler überhaupt in solch einem Fall verstrickt ist? Was ist also, wenn die Konsequenz keine Konsequenzen sind?

Mit dieser Frage schließe ich diesen Artikel und bin gespannt auf eure Kommentare.

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