Geposted von _waVe,
VALVe erhitzt seit der Veröffentlichung des neuen Major-Updates zu Counter-Strike: Global Offensive die Gemüter der Community. Während der Revolver bis zu seinem gestrigen Nerf überwiegend kritisch gesehen wurde, sind die Meinungen zu anderen Änderungen differenzierter. Zwei Positionen aus der 99Damage-Redaktion zu den Veränderungen der letzten Tage. Suntke '_waVe' Pendzich über das Update:

Es gab in der Vergangenheit schon viele Updates und Ankündigungen in Counter-Strike: Global Offensive, die auf den ersten Blick unausgegoren waren, oder den Unmut der Community provoziert haben. Man denke nur an den Start der extrem starken CZ75, den Mapaufbau von de_cobblestone und de_overpass zu ihrer Einführung und die extrem kurzfristige Bekanntgabe, dass die beiden Maps Teil des Major-Mappools sind. Auch der AWP-Nerf war damals heiß diskutiert. Wann immer ein neues umstrittenes Update anstand, habe ich natürlich meine Meinung dazu gehabt, aber dennoch auch immer versucht, die Beweggründe für die entsprechenden Änderungen nachzuvollziehen. Bisher ist es mir auch immer gelungen, eine sinnvolle Erklärung zu finden – das neue Update und die Einführung des Revolvers bereiten mir jedoch Sorge.

Counter-Strike: Global Offensive möchte einer der führenden E-Sport-Titel sein. Es ist schwierig zu definieren, was genau der Unterschied zwischen einem herkömmlichen Videospiel mit Multiplayermodus und einer E-Sport-Disziplin ist. Der wichtigste Faktor ist jedoch ohne Frage, dass ein Sieg in erster Linie von dem Geschick, dem Spielverständnis und der Erfahrung der Spieler abhängt. Um dies zu gewährleisten, muss das Spiel einerseits einen gewissen Anspruch haben und einen möglichst geringen oder gar keinen Zufallsfaktor beinhalten.

Kein Zufall: Schach ist eine offizielle Sportart
Man kann dies zum Beispiel mit dem Schachspiel vergleichen. Der Deutsche Schachbund ist Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), womit Schach als einziges Brettspiel in Deutschland offiziell als Sportart anerkannt ist. Das was Schach dabei – neben einer jahrhundertealten Tradition – als Sport qualifiziert, ist der nahezu völlige Verzicht auf den Zufallsfaktor. Während viele andere klassische Brettspiele auf den Würfel als zentrales Spielelement setzen, entscheidet beim Schach einzig und alleine das Können der Spieler. Wer ein perfektes Spiel spielt, kann nicht verlieren. Die Komplexität des Schachspiels und die unzähligen Zugmöglichkeiten sorgen dafür, dass es Jahre an Training und Ehrgeiz bedarf, um das Spiel zu meistern. Denn auch das ist Sport – nicht nur der Wettkampf, sondern auch das kontinuierliche Streben nach Perfektion in einer bestimmten Disziplin.

So ähnlich verhält es sich in den meisten E-Sport-Titeln und eben auch in Counter-Strike: Global Offensive. Betrachtet man nur den Bereich Aiming, dann sollte stets derjenige Spieler im Vorteil sein, der die zum Zielen bzw. Sprayen benötigten Bewegungsabläufe am perfektesten trainiert hat. Ein besonderer Anspruch entsteht dadurch, dass die effektivsten Hauptwaffen, also die AK47, die M4A4 und die M4A1-S am schwierigsten zu meistern sind.

Counter-Strike: Global Offensive ist jedoch nicht nur ein E-Sport-Titel, der auf höchstem Niveau gespielt wird, sondern auch gleichzeitig eines der meistgespieltesten Spiele überhaupt auf Steam. Das Spiel verfügt über eine gewaltige Basis an Casual-Spielern, die nicht den sportlichen Anspruch der Pro-Szene haben. Die Pro-Szene ist zwar das Aushängeschild des Spiels und die Fähigkeiten der Profis sind sozusagen das sportliche Ideal, nach dem die übrigen Spieler streben, tatsächlich ist ihr Anteil gegenüber den Casual-Spielern jedoch verschwindend gering. VALVe muss bei der Weiterentwicklung also den Spagat halten zwischen dem kompetitiven Anspruch und der Einsteigerfreundlichkeit. Dass Pistolen und SMGs unverhältnismäßig stark sind, kann z. B. als Tribut an die Casual-Spieler gesehen werden. Aus diesem Grund sieht man auf den unteren Rängen auch deutlich häufiger Spieler die z. B. eine P90 der AK47 vorziehen oder regelmäßig Auto-Sniper benutzen. Diese leicht zu bedienenden Einstiegs-Waffen haben die Gemeinsamkeit, dass sie auf hohem Niveau entweder tendenziell der AK47 und oder M4 unterlegen, oder aber teuer und in ihren Anwendungsmöglichkeiten begrenzt sind. Zwar ist das Verhältnis gerade in Bezug auf die enorm starken Pistolen nicht ideal, dennoch hat VALVe in der Vergangenheit immer wieder versucht, an einzelnen Stellschrauben die Balance zu verbessern.

Grotesk: Der R8 Revolver vor dem Nerf
Gemessen daran, wirkt das neuste Update jedoch als würde man Feinjustierung mit Vorschlaghammer und Brecheisen betreiben. Der Revolver ist dabei der mit Abstand groteskeste Auswuchs an Neuerungen. Nach dem Update heute Nacht, wurde die Waffe entschärft, dennoch darf man sich grundsätzlich fragen, was man sich dabei überhaupt gedacht hat. Allein die Idee eine sekundär(!) Waffe in das Spiel einzufügen, die auf kurze bis mittlere Distanz ähnliche Schadenswerte hatte wie die insgesamt stärkste Waffe im Spiel, erscheint selbst für Laien seltsam. Dass diese Waffe jedoch nur 850$ kostet und damit in nahezu jeder Runde, inklusive Kevlar+Helm gekauft werden kann und zudem im Laufen eine nahezu hundertprozentige Genauigkeit aufweist, klingt wie ein schlechter Scherz. Während das Primärfeuer der Waffe zumindest durch eine Verzögerung beim Schießen abgeschwächt wird, besitzt der sekundäre Feuermodus einen unberechenbaren Zufallsfaktor.

Der Revolver war und ist auch nach dem Update in seiner ganzen Konzeption also eines E-Sport-Titels unwürdig, dies bemerkt jeder, der ihn zum ersten Mal benutzt. Auch wenn VALVe nur zwei Tage brauchte um den Revolver zu nerfen, ist es überhaupt erschreckend, dass man einen derartigen Eingriff in die Spielmechanismen offensichtlich ungetestet vornahm. Die Tatsache, dass das Update von allerlei Bugs begleitet wurde, deren Behebung mittlerweile weitere Bugs hervorgebracht hat, ist dabei nur eine skurrile Randnotiz. Zudem hat VALVe auf fahrlässige Weise in Kauf genommen, dass wichtige Pro-Matches entweder unter wettbewerbsverzerrenden Bedingen stattfinden, oder verschoben werden müssen, sollten die Server nicht rechtzeitig auf die alte Version umgestellt werden können.

Die stupide Wild-West-Ballerei der letzten zwei Tage wird man als kuriose Episode der Counter-Strike-Geschichte in Erinnerung behalten. Was bleibt, ist jedoch ein weitaus schlimmerer Eingriff in den Spielmechanismus, der meiner Meinung nach zu stark vom Revolverhype überstrahlt wurde: Die vorgenommenen Änderungen am Spray-Verhalten und die Recovery-Time der AK47 und M4 entfernen Counter-Strike: Global Offensive ein Stück weit vom E-Sport Anspruch, denn sie fördern den Zufallsfaktor. Die Waffen wurden nicht generft, indem etwa die Rückstoßkontrolle erschwert wurde, sondern einzig und allein durch eine Verstärkung der Ungenauigkeit beim Sprayen und auch bei der First-Bullet! Ungenauigkeit bedeutet in diesem Fall: Das Verhalten der Waffe unterliegt im geringen Maße dem Zufall. Natürlich bedeutet das nicht, dass gute Aimer nicht auch weiterhin prinzipiell schlechten Aimern überlegen sind, vielmehr wird der kleine Zufallsfaktor dann entscheidend, wenn sich zwei besonders starke Aimer gegenüberstehen, die beide ihre Waffen annähernd perfekt beherrschen. Mit anderen Worten: Das Update schädigt in erster Linie den professionellen E-Sport, ohne das eine wirkliche Verbesserung der Spielerfahrung der restlichen Nutzer ersichtlich ist!

Jeder Zufallsfaktor im Verhalten der Waffen, der Spieler zum Spekulieren einläd, bedeutet in letzter Konsequenz, dass nicht unbedingt der Bessere am Ende gewinnt. Dies war bereits bei der Tec-9 ein Thema und mit den veränderten Rifles wird es noch verschlimmert, wobei das Sekundärfeuer des Revolvers der Gipfel ist.

Ich hoffe, dass man bei VALVe nach dem Rummel um das letzte Update allmählich aufwacht, denn je zufälliger und unbalancierter das Spiel wird, desto mehr geht das E-Sport-Ideal verloren, das Counter-Strike seit über 16 Jahren ausmacht!

Auf der nächsten Seite lest ihr die Meinung von Christian 'spawnYzn' Koller, der eine etwas andere Sicht auf das Update hat.

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