Geposted von spawnYzn,
Das Internet ist eine der größten Erfindungen des 20. Jahrhunderts. Freier Zugang zu Informationen, globale Vernetzung und Kommunikation und die Möglichkeit eigene Inhalte mit einem potentiellen Millionenpublikum zu teilen. Integraler Bestandteil ist bis heute die Anonymität - ein Segen und Fluch zugleich. Denn mit der Anonymität sinkt die Hürde für hasserfüllte Kommentare und Diskriminierung, ein Problem das auch die Gaming Szene nur zu gut kennt. Dagegen wollen die Electronic Sports League und Intel ein Zeichen setzen.

Vor wenig mehr als 20 Jahren fing die flächendeckende Verbreitung des Internets an. Ja klar, es gab auch schon vor ISDN Internet, aber laut der ARD/ZDF-Onlinestudie lag die (gelegentliche) Internetnutzung in der Bevölkerung um 1997 bei etwa 6,5 Prozent. Bis zum Jahr 2015 steigt diese Zahl auf knapp 80 Prozent. Dieser Boom bescherte uns eine Menge Neuerungen, darunter Chatrooms, Multiplayer Games und soziale Medien. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten, und mit der neuen Technologie kam eine Dimension der Beleidigung und Diskriminierung.

Egal ob Ingame Chat, Forenthreads oder Kommentare auf Internetseiten und sozialen Netzwerken, nirgendwo scheint der gesunde Menschenverstand und allgemeine Regeln des täglichen Miteinanders lange Bestand zu haben, wenn Moderatoren sich nicht um den guten Ton und eine gepflegte Kommunikation kümmern. Bei letzteren beiden Beispielen mag das noch funktionieren, bei den Chatfunktionen innerhalb von Spielen ist das schon schwerer. Wenn, dann kann erst im Nachhinein eine Sanktion ausgesprochen werden. Währenddessen bieten Foren und Kommentare zumindest teilweise die Möglichkeit, Mitteilungen erst nach Freischaltung für andere User sichtbar zu machen.

Mit der Verbreitung des Internets stieg auch die Popularität für multiplayerfähige Videospiele, die traditionell ein eher junges Publikum ansprechen, egal ob gewollt oder ungewollt. Ein möglicher Faktor für den rüden Umgang miteinander, da ihr moralischer Kompass noch nicht so stark ausgebildet ist, doch das soll nicht der Kern dieses Artikels sein - auch Spieler gestanderen Alters lassen sich zu Beleidigungen hinreißen. Das Phänomen des gegenseitigen Beleidigens ist bereits so alteingesessen, dass es ein eigenes Fachwort hat: Flamen. Und Ziel der Flames ist oft genug ein Gegenüber, von dem man kaum etwas weiß, dementsprechend oft wird auf Oberflächlichkeiten zurückgegriffen.

Wenn es Arschloch, Volltrottel oder Idiot nicht mehr tut, wird die nächste Runde im verbalen Boxkampf eingeläutet. Da wird das Geschlecht, die Familie, sexuelle Orientierung oder religiöse Ausrichtung des Gegenübers zur Zielscheibe aller möglichen Erniedrigungen. Gerade wir Gamer haben offensichtlich ein Problem mit der Sexualität und dem Geschlecht anderer Spieler. Wie oft mussten wir auf 99Damage bereits sexistische und herablassende Kommentare gegenüber Spielerinnen löschen! Hin und wieder kommen dann auch Kommentare oder Threads auf, die die sexuelle Orientierung gewisser Profispieler in Frage stellen und durch den Kakao ziehen. Ganz besonders dann, wenn die Person dahinter sowieso schon polarisiert.

Was würde wohl passieren, wenn ein Profispieler sich offen zu seiner Homosexualität bekennen würde? Die Kommentarspalten diverser Onlineseiten, von Reddit über HLTV bis 99Damage, würden vermutlich mit einer großen Anzahl problematischer Äußerungen seiner User zu kämpfen haben. Natürlich gibt es auch einen großen Teil oder gar eine Mehrheit von Usern, die erwachsen mit solchen Themen umgehen, doch nur weil es sie gibt, darf man die Schattenseiten nicht verschweigen oder gar tolerieren.

Um ein Zeichen zu setzen gründeten die ESL und Intel zusammen AnyKey. Die Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, Minderheiten im eSport mehr Möglichkeiten zu bieten und für sie einzutreten. Diese Minderheiten sind zum Beispiel Frauen, farbige Menschen und Mitglieder der LGBTQ-Community (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Questioning). In anderen historischen Sportarten, um mit American Football und Fußball nur zwei zu nennen, gibt es bereits Probleme, die eigene sexuelle Orientierung zu vertreten. Gamer sollten deshalb ein positives Vorbild sein statt Negativbeispielen nachzueifern, eine Aussage die wahrscheinlich auch die ESL und Intel bejahen dürften.

Die gemeinsam gegründete Organisation verfolgt bei ihrer Arbeit zwei Ansätze: Auf der einen Seite wird es themenbezogene Forschung geben, die in Zusammenarbeit mit dem Massachusetts Institute of Technology umgesetzt wird. Dabei wird ein Forscherteam unter anderem Diskussionsgrundlagen und Möglichkeiten zum Austausch schaffen, beispielsweise anhand von Workshops in Zusammenarbeit mit Branchenexperten. Außerdem wird das Team auch Publikumsstudien durchführen, so bereits geschehen auf der IEM San Jose 2015. Die Ergebnisse werden anschließend aufgearbeitet und als Whitepaper zur Verfügung gestellt.

Auf der anderen Seite werden Strategien und praktische Lösungsansätze entwickelt, die sich auf die Ergebnisse der Forschung stützen. Dafür konnte AnyKey Morgan Romine gewinnen, ehemalige Team Kapitänin von Ubisofts Frauenteam Frag Dolls und eSport Director für das Spiel Firefall von Red 5 Studios. Sie wird als Kopf des Entwicklungsteams fungieren und mit den restlichen Mitgliedern an den identifizierten Problemen arbeiten, in der Hoffnung zielführende Hilfestellungen zu bieten und umzusetzen.

Erste Öffentlichkeitsarbeit leistet AnyKey auf der gerade stattfindenden IEM Katowice 2016. Dort hat die Organisation einen eigenen Stand und wird im Rahmen des Events eine Inklusionspolitik präsentieren, die sich mit Belästigung innerhalb der Branche auseinandersetzt und an Live eSport Events als auch Online Broadcasts gerichtet ist. Die Arbeit der Organisation hat zwar nicht zur Aufgabe, den allgemeinen Umgangston zu ändern, sondern fokussiert sich auf spezielle, mindestens ebenso wichtige Probleme, trotzdem ist es ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, den wir alle unterstützen sollten.

Wessen Interesse geweckt ist findet hier die Seite von AnyKey, oder kann sich auf der Seite des Deutschen Institut für Menschenrechte informieren und weitere Angebote zu dem Thema Diskriminierung finden.

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