Geposted von spawnYzn,
Killerspiel und Ballerspiel sind beides Worthülsen, die erstmal Kampfbegriffe der Politik sind, geprägt von Leuten mit keiner bis kaum einer Ahnung von der Materie. Sie würdigen einen Großteil der Fans von (Ego-)Shootern unnötig herab und lösen damit automatisch eine Abwehrhaltung in der Gaming Community aus. Eine Debatte über diese Spiele ist überflüssig, das wissen wir schon lange. Oder doch nicht?
Quelle: attackofthefanboy.com

Zugegeben, in der Überschrift direkt mit dem Unwort Killerspieldebatte einzusteigen, ist für die meisten wahrscheinlich irgendwo zwischen Dreistigkeit und Clickbait anzusiedeln. Doch dass soll es gar nicht sein. In den Tagen nach dem tragischen Amoklauf in München, verübt von einem psychisch labilen Täter, geisterte das böse Wort wieder durch die Medien, beflügelt von Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Nach einigem Hin und Her in den Medien selbst - wer hätte vor einigen Jahren noch gedacht, es gäbe eine ausgewogene Berichterstattung - scheint kaum noch ein Hahn nach dem Thema zu krähen. “Zum Glück”, mag sich der eine oder andere CS:GO-Fan denken. Auch eine offensichtlich kaum stattfindende Auseinandersetzung mit dem Thema des Mobbings, was traurig und wütend zugleich macht, ist in der beschleunigten Nachrichtenwelt untergegangen.

Trotzdem finde ich es wichtig, über Egoshooter wie CS:GO, zu reden. So reflexartig, wie nach Amokläufen die Computerspiele von einem Teil der Öffentlichkeit verteufelt werden, so allergisch reagiert die betroffene Zielgruppe - wir - auf die Anschuldigungen. Kaum geht das Wort über die Lippen eines Politikers oder huscht über die Tasten eines Journalisten, schon braut sich der Shitstorm in der Spielergemeinschaft zusammen. Ich verstehe das, ich steckte bereits selbst in diesen Schuhen, damals 2002 (Amoklauf von Erfurt) und 2006 (Amoklauf von Emsdetten). Das heißt aber nicht, dass dämliche Sprüche wie “Der Amokläufer hat vor der Tat Brot gegessen, verbietet Brot!” und ähnliche, schnippische Bemerkungen, die richtige Art der Reaktionen waren und heute noch sind.

Statt direkt in die Abwehrhaltung zu gehen, sollten wir uns einmal grundsätzlich selbst hinterfragen und unser Hobby reflektieren. Dabei sollte versucht werden die Dinge möglichst emotionsfrei und mit einem rationalen Blickwinkel zu betrachten. In den letzten Jahren hat der Medienkonsum massiv zugenommen, darunter auch die Verfügbarkeit von Medien mit Gewaltdarstellung als Inhalt. Früher war es ungleich schwerer, da das Internet kaum verbreitet und die Geschwindigkeit und Technologie zum Teilen von Inhalten in den Kinderschuhen steckten. Erst Mitte bis Ende der Neunziger kamen die ersten Haushalte in den Genuss von halbwegs flächendeckendem Internet und einem exponentiellen Wachstum an Angeboten im Web.


Jugendschutz und Selbsteinschätzung

Deutschland war schon immer sehr restriktiv in seinen Jugendschutzbestimmungen. Wer also kein Internet hatte, der hatte es wesentlich schwerer, an Video- und Bildmaterial zu kommen, welches entweder nicht für die eigene Altersstufe freigegeben, oder gar indiziert war. Wir erleben also in den letzten 15 bis 20 Jahren einen Anstieg des Medienkonsums und eine Relativierung der Grenzen für Gewaltdarstellung. Vergleicht man Horrorfilme von damals mit heute, sind die Darstellungen expliziter und perfider als früher. Zumindest das, was am deutschen Markt erscheint. Ein Saw von heute, hätte damals nur stark geschnitten seinen Weg in die Kinos oder Videotheken gefunden.

Quelle: 4players.de
Das Gleiche gilt für Video- und Computerspiele. In Half-Life 1 kämpften Besitzer einer deutschen Version gegen Roboter, die Öl und Bauteile hinterließen, wenn sie starben. Heute sieht das anders aus. Worauf will ich eigentlich hinaus? Wir alle können sagen: "Schaut her! Aus mir ist nach jahrelangem Counter-Strike weder ein krimineller Gewalttäter noch ein Amokläufer geworden!" Doch reicht das aus? Bei der Debatte um Computerspiele sollte es nicht um deren Verbot gehen, welches natürlich absoluter Blödsinn wäre, keine Frage. Aber eines ist klar: Sie sind für ein erwachsenes Publikum konzipiert, erreichen jedoch oft ohne wirkliche Hindernisse ein jüngeres Publikum. Kaum einen interessiert das, auch vielen Eltern scheint es egal zu sein, was ihre Kinder spielen.

Die subjektive Selbsteinschätzung des Charakters lässt doch schwer zu wünschen übrig. Jeder kann zwar sagen, dass er kein Amokläufer ist und auch sonst keinen Gewaltausbrüchen freien Lauf lässt, aber da hört es schon auf. Feinere Veränderungen im Charakter sind von einem selbst nicht neutral zu beurteilen. Die Auswirkungen von Spielen mit gewalttätigen Inhalten kann man nicht in schwarz-weiß einteilen. Es sind viele verschiedene Schattierungen, denn der Mensch und seine Psyche sind komplexer als ein "Ich bin aber kein Amokläufer". Auch wenn es Studien gibt, die keinen eindeutigen Zusammenhang feststellen konnten, gibt es auch immer wieder Studien, die zumindest eine mögliche, wenn manchmal auch nur temporäre oder geringe Auswirkungen feststellen.


Zeiten ändern sich

Selbst wenn also wir, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten Egoshooter spielen, meinen alles wäre total super und man müsse ja nur uns anschauen, um zu sehen, wie harmlos das Ganze ist, ist das weder besonders aussagekräftig, noch ein Freifahrtschein für zukünftige Generationen. Wer weiß, vielleicht hat das jahrelange Spielen von Grand Theft Auto, Call of Duty und Resident Evil beim einen oder anderen wirklich Spuren hinterlassen, wenn auch kaum sichtbar. Sicher, Computerspiele sind kein Auslöser für Gewalttaten, aber sie können angeschlagene Psychen inspirieren, andererseits aber auch ein Ventil sein. Sie sind einer von vielen Faktoren, die zur Entwicklung des Geistes beitragen können, positiv wie negativ.

Quelle: techgage.com
Ich spiele seit über 15 Jahren Counter-Strike, bin mit Soldier of Fortune aufgewachsen und habe in einem verbotenen Spiel von Rockstar Games Jagd auf Menschen gemacht, um die verschiedensten Tötungsanimationen bei der Hinrichtung der Gegner sehen zu können. Ich habe das Gefühl, nichts davon hat mich in meiner Entwicklung beeinflusst, doch sicher sein kann ich mir nicht. Heute ist die Grafik realistischer, die Physik besser und die Menge an Egoshootern größer. Mit DOOM wird wieder das Zerbersten von Monstern zelebriert, doch auf einem komplett anderem Niveau wie vor knapp 20 Jahren. Alles kein Problem, wenn man sich mit der Materie auskennt und sich damit die Zeit vertreiben will. Das Problem ist die Sicht von Außenstehenden, vor allem dann, wenn solche Spiele in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen.

Da kommen wir zur Krux der Angelegenheit. Für Erwachsene ist der Konsum solcher Medien zumutbar. Sie sind alt genug und mündig, sie dürfen das. Doch schaut man ins Publikum bei Events der DreamHack oder in Columbus, sieht man immer wieder Kinder, die noch weit von den mindestens 16 oder gar 18 Jahren Alter entfernt sind. Jeder, der einmal Call of Duty gespielt hat, weiß wovon ich spreche. Wir können nicht ausschließen, dass der massenhafte Konsum von gewalthaltigen Computerspielen, in Kombination mit anderen Medien, einen möglichen schlechten Einfluss auf die Entwicklung von Kindern und sogar Jugendlichen haben.

Von Ehrlichkeit und Vorbildfunktion

Ich würde mein Kind niemals Counter-Strike spielen lassen und finde es diskussionswürdig, das so etwas von einem Großteil der Community, zum Beispiel auf Reddit, gefeiert wird. "Oh, das wird ein richtiges Nachwuchstalent!" Es gibt gute Gründe, warum bestimmte Medien für erwachsenere Personen klassifiziert sind. Diese Regularien wurden über Jahre hinweg in Kooperation mit diversen Experten erarbeitet, von denen sicherlich keiner mit dem Ansatz heranging, möglichst vielen Leuten den Spaß zu verderben. Wir müssen aufhören, uns hinter blöden Sprüchen zu verstecken und anfangen, Verantwortung zu übernehmen.

Quelle: memecenter.com
Statt jedes Mal den Shitstorm-Generator anzuwerfen, sollten wir mit gutem Beispiel voran und auf die Gegenseite zugehen, uns auf Diskussionen und Fragen einlassen. Eventuell unbequeme Wahrheiten müssen akzeptiert werden, wenn Studien zumindest zum Teil belegen, dass Computerspiele durchaus einen negativen Effekt auf die Psyche haben könnten. Ja, es gibt Maps die realen Orten in der Welt nachempfunden sind, darunter auch Schulen. Kopfschüsse töten den Gegner am schnellsten und sind daher im Kampf immer das Erste worauf man zielt. Und es ist richtig, dass man in die Rolle von Terroristen schlüpft, die Bomben legen und versuchen die “Guten” zu töten. Es hilft nicht nach Ausreden zu suchen und um Antworten herumzudrucksen. Von außen betrachtet ist unser Hobby ganz schön martialisch, da hilft kein beschönigen.

Jemand der noch nie einen Shooter gespielt hat, wird man wohl selbst mit den blumigsten Worten kaum die Begeisterung dahinter erklären können, wenn man gerade ein Headshot Ace hingelegt hat. Aber so lange Erwachsene diesem Hobby fröhnen, gibt es kaum Grund verunsichert zu sein und Angst vor einem Verbot zu haben. Im Falle von Kindern und Jugendlichen ist das dann jedoch diskussionswürdig. Daher ist es wichtig, die Medienkompetenz der Eltern zu verbessern und die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, dass unser Hobby nichts mit dem Vorbereiten von Amokläufen zu tun hat. Bei manchen Dingen können wir aktiv mithelfen, andere zumindest offen ansprechen. Aber wir dürfen nicht die Augen verschließen und so tun, als wäre alles super, nur weil viele von uns damit aufgewachsen sind und nicht zu Amokläufern wurden.



Das zum Teil hetzerisch, undifferenziert oder komplett falsch über Counter-Strike und Co berichtet wurde, ist natürlich nicht entschuldbar. Die Aufgabe von Journalisten ist eine grundlegende und solide Recherche zum Thema. Auch das Absetzen einer TV Show aus fragwürdigen Motiven, weil man schlechte Publicity fürchtet, statt Aufklärungsarbeit zu leisten, ist unverständlich und ärgerlich. Aber das kann nicht die Ausrede sein, sich einer Diskussion zu entziehen.

Ich wollte mir das einfach mal von der Seele schreiben, da ich das Gefühl habe, dass einige immer noch der Meinung sind, interaktive Medien, wie Spiele, stünden auf einer Stufe mit Büchern, Comics und Filmen. Das tun sie nicht, alleine schon deswegen, weil sie interaktiv sind. Ich will nicht sagen, dass Games einen schlechten Einfluss haben müssen, aber die Möglichkeit besteht, selbst wenn es nur gering ist. Und wenn das so ist, müssen wir auch darüber sprechen und sehen, wie wir damit umgehen.

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