Geposted von dmn_,
Internationale Lineups: Früher undenkbar, heute fester Teil des Counter-Strike-Zirkus. Ein notwendiger Schritt in Richtung Professionalisierung? Das Modell hat Potential, aber auch Nachteile. Am 5. Mai 2015 verpflichtete Team Kinguin als erste Organisation überhaupt ein ernstzunehmendes internationales CS:GO Lineup. Rund um den frisch aus den Ninjas in Pyjamas ausgeschiedenen Mikail 'Maikelele' Bill versammelten sich fünf Spieler aus vier Nationen. Eine kleine Sensation in der Szene. Das Experiment verbuchte zu Beginn allerdings nur mäßige Erfolge.

Neun steinige Monate später kaufte der FaZe Clan das Team auf. Nach und nach wurde durchgewechselt. Das Konzept blieb jedoch stets das gleiche: FaZe als internationales Superteam. Durch die Verpflichtung von Ausnahmetalenten wie Nikola 'NiKo' Kovač, Ladislav 'GuardiaN' Kovács und Olof 'olofmeister' Kajbjer sicherte sich der Clan einen Platz an der Weltspitze.

FaZe Clan bei der ESL One Cologne 2017

In anderen Sportarten ist das Prinzip, eine Mannschaft durch überregionale Transfers aufzuwerten, längst gang und gäbe. Nicht einmal der größte Fußball-Muffel würde auf die Idee kommen, dass bei Bayern München nur Spieler aus Bayern oder gar München spielen. Blickt man auf MOBA-Titel wie Dota 2 oder League of Legends, hat sich das internationale Durchmischen sogar schon in weiten Teilen der Esports-Landschaft etabliert.

[b]Das Potential[/b]

Die Grundidee ist ganz einfach: Eine Mannschaft soll möglichst erfolgreich sein. Dazu braucht es die besten Spieler. Beim Zusammenstellen eines internationalen Kaders stehen deutlich mehr gute Spieler zur Auswahl, als wenn man auf die Spielerbasis eines bestimmten Landes angewiesen ist.

Wo sich ein nationales Roster einschränken und beispielsweise auf drei Tier-1-Spieler und zwei Tier-2-Spieler zurückgreifen muss, hat ein internationales Team mehr Spielraum und kann fünf Tier-1-Spieler aus verschiedensten Ländern zusammenwürfeln. Das gemischte Team besteht also nicht nur aus den größten Talenten einer Nation, sondern aus den besten Spielern der ganzen Welt: die globale Elite. Das Ergebnis ist ein insgesamt besseres Team, zumindest theoretisch.

Denn was auf dem Papier plausibel erscheint, ist in der Realität nicht ganz so simpel. Schließlich ergibt sich die Stärke eines Counter-Strike-Teams nicht einfach aus der Addition des individuellen Skills. Kommunikation, Teamplay und Synergie sind grundlegende Erfolgsfaktoren. Hier liegt die große Schwäche internationaler Lineups.

[b]Die Stolpersteine[/b]

Ein offensichtliches Problem ist die Sprache. In einem Kader, der aus drei oder mehr Nationalitäten besteht, muss ein Großteil des Teams zwangsläufig die Komfortzone der Muttersprache verlassen. So kann es durchaus sein, dass bei der Kommunikation von Taktiken und Setups zu Beginn der Runde Präzision eingebüßt wird oder beim Mid-Round-Call wichtige Wörter fehlen. Solche Schwierigkeiten lassen sich mit der Zeit in den Griff bekommen. Vernünftiges Englisch ist kein Teufelswerk.

Viel mehr ins Gewicht fallen jedoch verborgene Aspekte. Unterschiedliche Nationen haben unterschiedliche Mentalitäten. Darunter kann die Teamdynamik leiden. Auch das gemeinsame „Heranreifen“ aus der Amateur-Community heraus ist nicht zu unterschätzen. Spieler aus Ein-Nationen-Teams spielen in der Regel schon jahrelang mit oder gegeneinander. Für ein internationales Team dagegen dauert es deutlich länger, bis sich die einzelnen Akteure in- und auswendig kennen. Das erkannten schon Maikelele und sein Team Kinguin.



Ein weiteres Problem, das eher hinter den Kulissen liegt, aber nicht unterschätzt werden darf, ist der obligatorische Umzug. Um als Topteam bestehen zu können, muss täglich gespielt und trainiert werden – am besten vom selben Ort aus. Die meisten Profi-Teams haben mittlerweile Team-Häuser. Das Auswandern in ein anderes Land reißt die Spieler aus ihrer gewohnten Umgebung. Das kann durchaus positive Effekte haben, aber auch negative.

[b]Konservative Szene[/b]

Diese potentiellen Stolperfallen sind vermutlich der Grund, warum internationale Teams in der CS:GO-Szene bislang eher die Ausnahme sind. Der Großteil aller Teams bestand lange Zeit und besteht nach wie vor aus Spielern einer bestimmten Nation. Zwölf der bisher fünfzehn Turniere mit mehr als 500.000 US-Dollar Preisgeld wurden von Ein-Nationen-Teams gewonnen. In den Top-10 des 99Damage Teamrankings finden sich mit FaZe Clan, mousesports und OpTic Gaming lediglich drei „Mix-Teams“. Dennoch scheint ein Trend zur Internationalisierung spürbar.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Potential multinationaler Teams groß ist. FaZe, mouz und Co. könnten in dieser Hinsicht nur ein Vorgeschmack sein. Dennoch reicht es bei weitem nicht, die besten Spieler zusammenzutrommeln und drauf loszuschießen. Die Umstellung bringt Probleme mit sich. Genügend Zeit und fortschreitende Professionalisierung könnten Abhilfe verschaffen. Um das Optimum herauszukitzeln, sind weitere Coaches nötig.

Was ist eure Meinung in Bezug auf internationale CS:GO-Squads? Notwendige Entwicklung oder zum Scheitern verurteiltes Experiment? Freut ihr euch, auf den WESG 2017 Europe & CIS Teams mit nationalen Identitäten zu sehen, oder ist der Faktor Herkunftsland schlichtweg egal?

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