Geposted von kautzy,
Deutsche Fans haben es nicht leicht: SK Gaming und mousesports haben keine deutschen Spieler mehr, BIG hat einen Briten verpflichtet und Sprout sowie ALTERNATE aTTaX sind mittlerweile gefühlt fast Dänisch. Feuert man diese Teams jetzt noch an?
Wir haben uns dafür entschieden zwei neue deutsche Spieler zu holen und nicht international zu gehen. Wir wollten einfach deutsch bleiben. Erstens wegen der Kommunikation: Wir hatten damals schon ein paar Probleme, auf Englisch ist es nicht das Gleiche. [...] Wir wollen der Community auch zeigen, dass wir nicht umsonst als deutsches Team gelten, sondern auch wirklich daran glauben.

Das sind die Worte von Fatih 'gob b' Dayik nach der Verpflichtung von Tizian 'tiziaN' Feldbusch und Niels 'luckeRRR' Jasiek Anfang dieses Jahres. Das Kapitel luckeRRR ist mittlerweile abgeschlossen. Seinen Platz im Lineup hat der Brite Owen 'smooya' Butterfield eingenommen.

Team-Manager Christian Lenz legte in einem Statement nach der Verpflichtung die Gründe dar. BIG habe keine guten Optionen auf dem deutschen Markt gesehen und sei deshalb von dem Konzept des rein deutschen Teams vorerst abgerückt. Verständlich. Trotzdem wirft es die Frage auf: Was bringt ein nationales Lineup im Jahr 2018 noch?

Internationale Lineups

"Nichts!", schallt es aus Richtung FaZe Clan und mousesports. Die beiden Teams sind die Vorzeigemannschaften, wenn es um einen erfolgreichen Mix aus internationalen Spielern geht. FaZe schießt seit Anfang 2017 mit überlegener Firepower fast alle Gegner ins Nirvana, während mouz nach jahrelangem Mittelmaß endlich Erfolge vorweisen kann. Erfolge, die sich erst eingestellt haben, nachdem das Team den deutschen Kern aufgegeben hat.
Was in Counter-Strike noch außergewöhnlich erscheint, ist bei den Nachbarn schon lange gang und gäbe. Bei Dota 2, League of Legends und Overwatch sind internationale Lineups die Norm. Warum auch nicht? Wer würde sich denn freiwillig auf den Talentpool eines einzelnen Landes beschränken, wenn man auf den der ganzen Welt zugreifen kann?

Rede mit mir!

Das Standard-Argument gegen internationale Lineups ist die Kommunikation im Spiel selbst. Die ist in CS, verglichen mit den anderen Spielen, noch intensiver und zeitkritischer. Und jeder, der in Europa schon mal Matchmaking gespielt hat, weiß um die Irrungen und Wirrungen, die die verschiedenen Sprachräume mit sich bringen.

Da ist zum einen das Problem der Call-outs: Jeder Millimeter einer CS-Map ist benannt - und das in jeder Sprache anders. Was dem Deutschen als "Hausmeister" bekannt ist, nennt der Brite "Boiler" und der Franzose "Cagibi". Genaue Positionsangaben werden so äußerst schwierig.
Im Matchmaking ein dauerhaftes Problem, aber bei den Pros kann diese Ausrede nicht gelten. Ein großer Teil von ihnen spielt regelmäßig PUGs und sollte die englischen Call-outs zur Genüge kennen. Selbst wenn das nicht der Fall ist, sollte das Lernen der Positionsangaben für professionelle Spieler das geringste Problem sein.

Deutlich problematischer scheinen spontane Wortfindung und genaue Umschreibungen. Wer nicht in seiner Muttersprache spricht, dem fällt es deutlich schwerer, im richtigen Moment schnell genug genau das richtige Wort zu finden. Soll dies dann auch noch möglichst schnell und in der Hitze des Gefechts geschehen, ist die Kommunikation meist alles andere als unmittelbar und präzise, wie Jake 'Stewie2K' Yip mittlerweile zu berichten weiß:

Yeah, it's kind of hard at the beginning because FalleN and fer speak English the most fluently, and they speak the most to me in-game, but cold has to think in Portuguese and then speak in English when he's in-game. I know he has a lot of good ideas, and I expect him to direct me a lot more, especially in mid-round situations, but since his communication's not as good in English yet I think he's a bit scared to tell me what to do because he can't say exactly what's on his mind perfectly.

Wo kommst du denn her?

Aber es wird ja nicht nur auf dem Server kommuniziert. Die Spieler eines Teams verbringen oft mehr Zeit miteinander als mit ihren jeweiligen Familien, und das oft auf engstem Raum. Ob Flugzeug, Hotelzimmer oder Teamhaus: Wer sich mit seinen Mates nicht versteht, wird als Pro mit entsprechendem Reisepensum keine besonders angenehme Zeit haben.

Kulturelle Differenzen erschweren das angeblich noch weiter. Die verschiedenen Prägungen sollen dafür sorgen, dass die Teammates die Angewohnheiten ihres Gegenübers nicht verstehen oder einen völlig unterschiedlichen Umgangston miteinander pflegen. Aber FaZe, mouz und tausende Mannschaften aus dem traditionellen Sport zeigen, dass die Spieler diese Hürde problemlos meistern und gemeinsam erfolgreich sein können.
Mia san mia

Es ist sicherlich einfacher, ein Team mit Spielern aus derselben Nation zu besetzen und somit mögliche Kommunikationsprobleme zu umschiffen. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Erfolgschancen dadurch höher sind, wie man am Beispiel BIG sehen kann. Wenn es nur um den Erfolg ginge, würde jede Orga mit entsprechendem Geld versuchen, sich ein FaZe zu bauen.

Aber es geht eben nicht nur um den Erfolg, sondern auch um die Fans. Fatih 'gob b' Dayik spricht es im Eingangszitat selbst an:

Wir wollen der Community auch zeigen, dass wir nicht umsonst als deutsches Team gelten sondern auch wirklich daran glauben.

Aber warum ist den Fans und damit auch den Orgas das deutsche Team so wichtig? Diese Frage wird in den nächsten Wochen mal wieder beantwortet. Alle Jahre wieder feiern wir, ob bei WM, EM oder Olympia, dass irgendwelche Athleten auf dem gleichen Stück Erde geboren wurden, wie wir. Da ist es das Naheliegendste, auch im Esport das eigene Land anzufeuern. Die Sprache und das Land haben wir als deutsche Community ja schließlich alle gemeinsam.

Esport ist global

Aber eigentlich passt das Denken in Lokalitäten nicht zum Esport. Esport findet schließlich nicht auf einem Bolzplatz um die Ecke statt, auf dem sich die lokalen Fußballer treffen und schon immer getroffen haben, bis einer von ihnen es vielleicht irgendwann in ein Profiteam schafft. Esport findet online statt und ist somit als erste Sportart wirklich global. Die einzige örtliche Beschränkung ist die Latenz auf dem Server.

Das zeigt sich auch in den Rivalitäten. Was im Fußball Deutschland gegen Holland ist, wird im Esport zu EU gegen NA. Plötzlich geht es nicht mehr um Länder, sondern um Kontinente - der Maßstab vergrößert sich, sofern es die Latenz erlaubt.



Das tut er langsam aber sicher auch bei vielen Top-Teams: Aleksandr 's1mple' Kostylievzu Liquid war noch die Ausnahme. Mittlerweile treiben Stewie bei SK Gaming, Oscar 'mixwell' Cañellas bei G2 und Epitacio 'TACO' de Melo bei Liquid einen Trend weiter, der unaufhaltsam scheint. Mehr und mehr geht es darum, das bestmögliche Team zu kreieren, völlig frei von Ländergrenzen. So könnten national besetzte Teams möglicherweise bald der Vergangenheit angehören.

Aber vielleicht ist das ja gar nicht so schlimm. Wenn der Esport in seiner Struktur global ist, warum sollten es dann nicht auch die Teams sein? Denn eigentlich haben wir als deutsche Community nicht nur das Land und die Sprache gemeinsam, sondern auch die Begeisterung für Counter-Strike. Solange gutes CS gespielt wird, gibt diese Begeisterung uns allen genug Raum um Fan zu sein - auch von Briten oder Dänen.

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