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Trotz seines noch jungen Alters ist Ethan 'Ethan' Arnold einer der vielversprechendsten Spieler aus Nordamerika. Nicht nur wegen seiner mechanischen Fähigkeiten, sondern weil dieser Junge verstanden hat, wie man es ganz nach oben schafft. Stewie2K (20), Nifty (20), swag (21), SicK (19), XotiC (17): Die Liste junger, talentierter CS:GO-Spieler aus den Vereinigten Staaten kann sich durchaus sehen lassen und nahezu endlos fortgeführt werden. Ein gerade einmal 18-Jähriger aus Florida hat in diesem Jahr jedoch den wohl größten Schritt nach vorn gemacht: Ethan 'Ethan' Arnold von NRG Esports. Er steht sinnbildlich für den Aufstieg des NA-Teams in den vergangenen Monaten.

"Mama, ich spiele jetzt in einem Profi-Team!"

Mit nur 16 Jahren unterschrieb er seinen ersten Profivertrag und das bei einer der renommiertesten Adressen, die die US-Szene zu bieten hatte: Counter Logic Gaming. Dabei stand er, wie jeder ambitionierte Spieler in diesem Alter, vor der schweren Aufgabe, Schule und Esport unter einen Hut zu bekommen.

nahtE: „Ich fand einen Weg, meinen Stundenplan so zu gestalten, dass ich genügend Zeit hatte, um die meisten, wenn nicht sogar alle Arbeiten in der Schule zu erledigen. So hatte ich viel Zeit, mit meinem Team zu trainieren.“



Auch die eigenen Eltern mussten zunächst überzeugt werden. Wer lässt seinen Teenager-Sohn schon gerne 4000 Kilometer weit reisen, damit dieser die eventuelle Chance hat, mit "E-Spocht" seinen Lebensunterhalt zu verdienen? Nun, die Familie Arnold sah das Ganze wohl etwas differenzierter und ermöglichte ihrem Sohn, seinen Traum zu leben.

nahtE: „Ich erzählte meinen Eltern davon, dass ich in einem Profiteam spiele und von all den Vorteilen, die damit verbunden waren. Sie freuten sich wirklich sehr für mich. Als ich ihnen dann sagte, dass ich quer durch‘s Land reisen müsste, um in einem Gaming-Haus zu leben... naja, das ist eine andere Geschichte. Sie führten viele Telefonate mit Mitarbeitern von CLG, denn sie mussten erst sicherstellen, dass die Gegebenheiten dort perfekt waren, bevor ich überhaupt an einen Umzug denken konnte.“



Es war der damalige CLG-Coach Garett 'Grt' Bambrough, der ihm aufgrund seiner Rank S-Leistungen ein Tryout anbot. Der Kanadier hielt große Stücke auf nahtE und so kam es schnell zu einer vertraglichen Einigung mit allen Beteiligten.

Im Team-Haus in Kalifornien angekommen, standen nahtE mit James 'hazed' Cobb und Steve 'reltuC' Cutler erstmals zwei routinierte Spieler zur Seite, von deren üppiger Erfahrung er profitieren konnte. Und das wichtigste dabei: Er nahm jegliche Hilfestellungen an und arbeite unermüdlich daran, noch besser zu werden.

Den wohl größten Einfluss, so nahtE selbst, hatte jedoch James 'GBJames' O'Connor – seines Zeichens Ex-Coach von Team Liquid und ehemaliger Besitzer der Organisation Renegades. Er coachte den jungen US-Amerikaner bei einem seiner vorherigen Teams und gab ihm das nötige Know-How eines Profispielers mit auf den Weg.

nahtE: „James hatte großen Einfluss auf mein Gameplay, vor allem, weil ich zuvor erst eine oder zwei Open Seasons gespielt hatte. Durch ihn bin ich als Spieler reifer geworden und er half mir, das Spiel so zu lesen, wie ich es zuvor nie konnte.“



Sein erstes offizielles Match im Dress von CLG bestritt nahtE gegen das damalige OpTic Gaming-Lineup rund um Keith 'NAF' Markovic und seinen heutigen Ingame-Leader Damien 'daps' Steele - also wahrlich nicht der leichteste Gegner für sein Profidebüt. Zwar ging das Best-of-Three mit 0:2 verloren, doch der 16-Jährige bewies mit 41 Frags, dass er einiges an Firepower vorweisen kann. Er war der einzige Spieler seines Teams mit einer positiven K/D-Differenz.

Zu dieser Zeit kreuzten sich auch mehrfach die Wege mit NRG Esports – damals noch mit Fatih 'gob b' Dayik, Johannes 'tabseN' Wodarz und Nikola 'LEGIJA' Ninić im Lineup. Generell war nahtE nun in der Lage, sich regelmäßig mit den besten Teams seines Kontinents zu messen, sei es SK Gaming, Cloud9 oder auch Team Liquid. Eine Tatsache, die auf diesem Niveau selbstverständlich erscheint und dennoch großen Einfluss auf seine spielerische Entwicklung nahm.

Noch im selben Jahr konnte er auch die erste LAN-Erfahrung sammeln, allen voran durch den Offline-Qualifier für das ELEAGUE Major 2017 in Atlanta, welcher nach der heutigen Regelauslegung sogar Teil des Majors wäre. CLG ging mit einem 1:3-Record aus der SWISS-Phase und verpasste somit das Major. Doch dieses Event sollte für den nun 17-Jährigen der bisherige Höhepunkt einer noch jungen Laufbahn werden.

Das Ende eines Tier-1 Farm-Teams



Im darauffolgenden Jahr musste nahtE durch den Abgang von hazed bei CLG einen großen Verlust hinnehmen. Für ihn war er zu dieser Zeit immer noch ein großer Lehrmeister, doch nun musste es ohne ihn weitergehen. Zum ersten Mal musste nahtE also allein unter Beweis stellen, dass er zu höheren Aufgaben berufen war.

Generell unterzog sich CLG einigen drastischen Veränderungen. Für hazed, der so etwas wie das Urgestein bei CLG war, holte man Pujan 'FNS' Mehta zurück. Später wurde Yassine 'Subroza' Taoufik gegen Ricky 'Rickeh' Mulholland getauscht und Steve 'Ryu' Rattacasa ersetzte Chet 'Chet' Singh als Coach des Teams. Die ersten Zweifel darüber, ob nahtE sich bei CLG noch weiterentwickeln kann, wurden laut.


Erfahrung konnte er bei CLG trotzdem sammeln: Insgesamt acht Offline-Events bestritt nahtE im Jahr 2017, darunter auch die beiden Minor Championships für das PGL Major Krakow 2017 und das ELEAGUE Major: Boston 2018. In beiden Fällen belegte CLG den undankbaren dritten Platz und verpasste die Major-Teilnahmen denkbar knapp. Ein emotionaler Tiefpunkt, sowohl für die Spieler als auch für die gesamte Organisation.

Die Enttäuschung über die zuvor gezeigten Leistungen war somit bei allen Beteiligten riesig. Als CLG jedoch im November das Ende seiner CS:GO-Abteilung verkündete, glich dies einem mittelstarken Erdbeben in der NA-Szene. Zwar versicherte die Organisation, all ihren Spielern dabei zu helfen, eine neue Heimat zu finden, doch die Zukunft blieb zunächst ungewiss. Es dauerte dann knapp zwei Monate bis NRG Esports die Verpflichtung des Jungen aus Florida bekanntgab.



Mit NRG an die Spitze

Die Hinzunahme des Riflers scheint so etwas wie der Dosenöffner für NRG gewesen zu sein. In der jetzigen Konstellation zeigt die Formkurve, nicht zuletzt wegen nahtE, stetig nach oben.

Mit daps und auch Jacob 'FugLy' Medina, der schon seit Mai 2016 das NRG-Trikot trägt, hat man erneut zwei erfahrene Spieler an die Seite von drei talentierten Nachwuchsakteuren gestellt - ähnlich der Situation, die nahtE bei CLG vorfand.

Diese Mischung scheint sich zu bewähren, denn neben nahtE ist es vor allem der 18-jährige Bulgare Tsvetelin 'CeRq' Dimitrov, der mit der AWP immer wieder für Aufsehen sorgt. Dass man mit diesem Team bis dato aber erst vier Offline-Events gespielt hat, macht sich immer wieder bemerkbar.

Cerq: „Ich bin einfach froh, endlich mit genügend Selbstvertrauen spielen zu können und nicht so, wie ich es in der Vergangenheit getan habe. Damals hatte ich keinerlei Selbstvertrauen und meine Hände waren am Zittern. Mittlerweile bin ich besser geworden und ich glaube, ich kann sogar noch besser werden.“



In Sydney und Dallas war in der zweiten Runde des Lower-Brackets bereits Schluss. Was die Community natürlich schon im Voraus wusste, wurde schnell zur Realität: Eine gute Online-Saison ist nur die halbe Miete und Teams wie Astralis oder mousesports sind noch eine oder gar zwei Nummern zu groß.

Statt sich jedoch in die "Onliner"-Schublade stecken zu lassen, zeigten sie ihren Kritikern bereits in Kiew und am vergangenen Wochenende auch in London, dass sie es besser können. Es gelangen Bo3-Siege gegen Liquid, North, HellRaisers sowie zwei dominante Maps gegen den FaZe Clan und G2 Esports – wenngleich Letztere nicht in ihrer üblichen Konstellation bzw. Verfassung antraten. Als Belohnung gab es für NRG bei beiden Events eine Playoff-Teilnahme und sehr viel Anerkennung bezüglich der gezeigten Leistungen. Auch die gesammelte Stage-Erfahrung kann ihnen niemand mehr nehmen.

Bei den Finals der Esports Championship Series Season #5 zeigte auch nahtE endlich, welchen Einfluss er auf sein Team nehmen kann. Die meisten Kills pro Runde (0.87), die meisten Multi-Kill-Runden (55,6 %) und das zweitbeste Rating insgesamt (1.29) sprechen für sich.

Sein punktgenaues Crosshair-Placement lässt erahnen, wie viel Ehrgeiz, Schweiß und Herzblut er in dieses Spiel gesteckt hat. Man merkt ihm auf dem Server einfach an, dass er es nicht durch Glück oder Vitamin B in seine jetzige Situation geschafft hat, sondern, dass er ein klares Ziel verfolgt: Der Beste zu werden.



Auch sein intelligentes Movement, das ihn immer wieder in vorteilhafte Positionen für Aim-Duelle bringt, ist für sein Alter schon sehr ausgeprägt. Zwar wirken seine Mausbewegungen oft sehr hektisch, doch darunter leidet seine Treffsicherheit keineswegs. Obendrein nimmt er immer wieder viel Raum ein, um seinem Team in den Mid-Rounds mehr Flexibilität zu verleihen.

nahtE: „Ich denke, ich bin ziemlich gut im Erschließen von bestimmten Bereichen auf der Map. Dadurch haben wir als Team die Möglichkeit, zu einem späteren Rundenzeitpunkt dorthin zurückzukehren.”



Das Team-Gefüge bei NRG scheint zu funktionieren. Viel wichtiger erscheint jedoch die Tatsache, dass das Team in der Lage ist, sich gemeinsam aus schwächeren Phasen herauszuspielen und wieder anzugreifen. Vielleicht ist es aber auch daps' Pre-Game-Ritual, seinen Spielern immer wieder zu verinnerlichen, dass CS:GO nur ein Spiel sei und sie Spaß haben sollen. Wie er es jedoch geschafft hat, nahtE hin und wieder als zweite AWP einzusetzen, bleibt vermutlich sein Geheimnis. An dieser Waffe wirkt er nämlich ziemlich nutzlos.

Survival of the sickest

Talente, so hat man das Gefühl, schießen überall auf der Welt förmlich aus dem Boden. Ob ein Sam 's0m' Oh oder, um in Europa zu bleiben, ein Mathieu 'ZywOo' Herbaut dieses Kunststück ähnlich erfolgreich meistern, wie das Paradebeispiel nahtE, wird daher mit Spannung erwartet.

Dieses enorme Potential letztlich in das Repertoire eines Spitzenspielers umzumünzen, ist die große Herausforderung - auch für nahtE, dessen Entwicklung längst noch nicht abgeschlossen ist. Dauerhaft auf Top-Niveau konkurrieren zu können, bedarf mehr als nur Umschießer-Qualitäten und genau das hat der US-Amerikaner frühzeitig verstanden.

Um den Durchbruch zu schaffen, gehören natürlich noch viel mehr Faktoren dazu. Die wichtigste Frage stellt sich jedoch immer am Anfang einer Karriere: Was muss ich tun, um Teil eines Profiteams zu werden? Geht es um Team-Integration, Lernwilligkeit und auch -fähigkeit, können sich zahlreiche Nachwuchsspieler eine gehörige Scheibe von nahtE abschneiden.



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