Geposted von vdr,
Das Jahr 2020 hat noch gar nicht richtig Fahrt aufgenommen und dennoch zeichnet sich schon jetzt ein großer Kampf ab. Turnierveranstalter und Organisationen wollen Counter-Strike neu definieren. Counter-Strike ist nicht profitabel. Weder für Organisationen, die ein CS:GO-Team besitzen, noch für Turnierveranstalter wie die ESL, FACEIT oder RFRSH. Diese These ist nicht neu und doch wird sie in diesen Tagen wieder einmal heiß diskutiert. Grund dafür ist das derzeitige Wettrüsten sowie das Buhlen um Exklusivität.

Verluste in Millionenhöhe

In einem Interview mit Jarek 'DeKay' Lewis gab Dan Fiden, Präsident der Cloud9 Esports Incorporated, interessante Einblicke in die finanzielle Zwickmühle, in der sich viele Organisationen mit eigenen CS:GO-Teams befinden:

Um das mal klarzustellen: Cloud9 verliert mit dem CS:GO-Geschäft jedes Jahr etwa eine bis zwei Millionen US-Dollar. Und ich würde jedes Top-20-Team in CS herausfordern, mir zu beweisen, dass sie nicht einen ähnlichen Betrag verlieren.

Fiden hat als ehemaliges Vorstandsmitglied von Cloud9 sowie ehemaliger Chief Strategy Officer des chinesischen Spieleentwicklers FunPlus maßgeblichen Anteil daran, dass Cloud9 heute zu den finanzstärksten Esport-Organisationen weltweit gehört. FunPlus war im Jahr 2017 einer der Investoren einer "Series A"-Finanzierungsrunde in Höhe von 25 Millionen US-Dollar. Während dieses Zeitraums erwarb Cloud9 für 20 Millionen US-Dollar einen Startplatz in der Overwatch League. Ein CS:GO-Team hingegen lohne sich laut Fiden finanziell überhaupt nicht.

2019 soll Cloud9 gerade einmal 70.000 US-Dollar für die Teilnahme an der ESL Pro League eingenommen haben. Also in etwa so viel, wie die Organisation aus Los Angeles monatlich für ihr CS:GO-Team ausgibt. Das meiste Geld kommt von Investoren und Sponsoren, doch die könnten in den kommenden Jahren einen noch größeren Bogen um Counter-Strike machen, als sie es ohnehin schon tun.

Im Bereich der Sponsorentätigkeit hatten und haben wir immer wieder Anfragen unserer Partner, dass wir CS außen vor lassen, weil der Inhalt provokant ist. Das sagt wohl alles darüber, dass die wirtschaftlichen Aspekte für CS-Teams nicht gut sind.

Doch nicht nur die Organisationen beklagen das Minusgeschäft Counter-Strike. Auch die ESL hat mit Umsatzverlusten zu kämpfen - und das schon seit Jahren. Einem Bericht der Games Wirtschaft vom September 2019 zufolge schreiben die Kölner bereits seit 2009 tiefrote Zahlen - mit Ausnahme von 2013. Demnach erwirtschaftete die ESL im Jahr 2016 einen Umsatzfehlbetrag von 7,5 Millionen Euro, im Jahr darauf waren es sogar 17,7 Millionen Euro. Diese Einbußen konnten nur durch den schwedischen Mutterkonzern MTG (Modern Times Group) aufgefangen werden.

Angesichts dieser Verluste auf allen Seiten ist es schon verwunderlich, dass sich CS:GO in den vergangenen Jahren als einer der beliebtesten Esport-Titel etablieren konnte und auch die Investitionen immer größer wurden. Auf Dauer wird das aber nicht mehr möglich sein, dessen sind sich viele bewusst.


Zwischen Lösungsansätzen und Profit

Ob sich das Spielkonzept mitsamt seines Terroristen-Images per se ändern muss, steht auf einem anderen Blatt. Damit CS:GO in Zukunft rentabler wird, braucht es vielmehr neue finanzielle Möglichkeiten. Und die sollen nun vermehrt mit Revenue Sharing kommen, welches die Turnierveranstalter in verschiedensten Versionen anbieten (müssen).


Ein Indiz dafür, dass auch die Organisationen großes Potenzial darin sehen, sind die zahlreichen neuen CS:GO-Teams, die in den vergangenen Monaten aufgestellt wurden: die Evil Geniuses, die 100 Thieves, die MAD Lions, OG, Gen.G, Dignitas, c0ntact. Es sind Namen, die man aus anderen Esport-Titeln bereits bestens kennt und die nun auch den Counter-Strike-Markt erobern oder zumindest mitgestalten wollen. Denn sie alle haben die finanziellen Mittel dafür, um beispielsweise die zwei Millionen US-Dollar für den Einstieg in die "B Site"-Liga zahlen zu können.

Dan Fiden, der mit Cloud9 an der Entwicklung von "B Site" arbeitet, zog eine Zusammenarbeit mit der ESL übrigens nicht in Betracht, denn das Kölner Unternehmen beharrt auf seine eigenen Ligen und Turniere, sein eigenes Ranking-System und auf seine eigene ESEA-Plattform. Gleichzeitig sollen Teams die Exklusivrechte für all das mindestens vier Jahre lang an die ESL abtreten. Für Fiden ist das nicht akzeptabel, also investiert er seine Millionen lieber in ein eigenes Projekt. Ein Kampf gegen die Monopol-Entwicklung der ESL.

Die Vertragsbedingungen mit der ESL würden es Cloud9 nicht erlauben, schwarze Zahlen zu schreiben, bis die ESL selbst jährlich etwa 20 Millionen US-Dollar Gewinn macht. Das entspricht einer Gewinnmarge von mehr als 50%. Meiner Ansicht nach ist eine Partnerschaft, bei der ein Partner jedes Jahr mehr als 50% Gewinn macht und wir nicht einmal die Gewinnschwelle erreichen, keine Partnerschaft.

Diese Monopol-Stellung möchte auch CS:GO-Entwickler Valve nicht zulassen. Das zuletzt vielzitierte Statement namens "Keeping Things Competitive" stellt das eindeutig klar: Valve will nicht, dass (Exklusiv-)Lizenzen für Veranstaltungen vergeben werden, die die Teams an der Teilnahme an anderen Veranstaltungen einschränken würden. Klingt fast so, als solle doch bitte alles beim Alten bleiben.

Denn die Valve Corporation mit Sitz im US-Bundestaat Washington verdient als Publisher von CS:GO an jedem Event mit. Sie ging also in den vergangenen Jahren als einziger Gewinner hervor. Doch im Gegensatz zu Blizzard oder Riot Games, die ihre Spiele größtenteils selbst vermarkten, lässt Valve den Turnierveranstaltern freie Hand. Und die Umsatzzahlen der vergangenen Jahre scheinen laut statista.com auch ohne Exklusivität zu stimmen: 2018 spülte CS:GO über 400 Millionen US-Dollar in die Valve-Kasse.

FACEIT möchte die Problemstellung der Exklusivität mithilfe des Franchising-Systems gekonnt umschiffen. Man will das CS:GO-Geschäft wieder lukrativer machen, verspricht Umsatzbeteiligungen für Spieler und Teams in Millionenhöhe. Und man setzt auf den Show-Faktor mit bekannten Gesichtern im Talent-Lineup.

Offenbar ein ernstzunehmender Konkurrent für die ESL und ihre Monopol-Pläne. Zwar besitzt sie mit der ESL One Cologne und den IEM Katowice die prestigeträchtigsten Einzel-Events, doch das Rätselraten um das ominöse LANXESS Agreement und die neue ESL Pro League Season ist noch längst nicht beendet. Geschweige denn die vertraglichen Bedingungen, die damit einhergehen.

Am Ende versuchen alle, ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Schließlich sind ESL, FACEIT und die Organisationen selbst gewinnorientierte Unternehmen und wollen Profite erwirtschaften. Profite, die die Turnierveranstalter sogar bereit sind, mit ihren (exklusiven) Partnern zu teilen.


Wohin geht die Reise?

Welches der verschiedenen Ligenkonzepte sich im Jahr 2020 durchsetzen wird, wird mit Spannung erwartet. Wirft man einen Blick in die Historie des traditionellen US-Sports, der ja oftmals als Musterbeispiel für den Esport herhalten muss, dann hatte dieser mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen. Bevor die großen Ligen ihre Vormachtstellung beanspruchen konnten, hatten sie nämlich Konkurrenten: NBA und ABA, NFL und AFL oder auch NHL und WHA. Die vermeintlich besten Teams konnte man somit nie gegeneinander spielen sehen, da sie in verschiedenen Exklusivligen unterwegs waren.

Das ist eine Prognose, die man sich für den CS:GO-Esport sicher nicht wünschen kann. Aber nach 20 Jahren Counter-Strike und der rasanten Mainstream-Entwicklung der vergangenen Jahre kommen wir um Veränderungen nicht mehr herum. Und so dürfte das Jahr 2020 ein sowohl hart umkämpftes als auch ein richtungsweisendes werden.

Und die Zuschauer des ganzen Spektakels sind ebenfalls gefragt: Wollen wir weiterhin auf kostenlosen Content bestehen und gleichzeitig immer bessere Qualität erwarten können? Oder sind wir irgendwann bereit, für CS:GO auch Pay-TV, Pay-per-View oder sogar League Passes in Betracht zu ziehen?

Bildquelle: ESL

Anmerkung: Aufgrund eines Übersetzungsfehlers war in der ursprünglichen Version dieses Artikels von einem Investitions-Deal zwischen Cloud9 und FunPlus in Höhe von einer Milliarde US-Dollar die Rede. Dies wurde inzwischen korrigiert.

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