Geposted von EddieCochran,
Die Renaissance von mousesports verdankt die Organisation unter anderem dem Youngster Robin 'ropz' Kool. Der Estländer überzeugt mit überragenden Fähigkeiten, obwohl er einen schweren Schicksalschlag verkraften musste. Robin "ropz" Kool steht im Sonnenschein vor einem Landhaus, umgeben von Bäumen und saftgrünen Wiesen inmitten von Estland. Das gelbe Haus mit vergilbten, roten Dachziegeln ist unbewohnt und leicht verfallen. Er läuft darauf zu, tritt hinein und erzählt von dem Ort. Hier hat ropz bis zu seinem siebten Lebensjahr mit seiner Familie gelebt. Sein Vater betrieb dort fast 20 Jahre lang sein Agrargeschäft. Doch nachdem er in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, mussten die Kools aus dem Haus ausziehen. Die Banken hatten es der Familie weggenommen. Einige Jahre später hat sich ropz‘ Vater das Leben genommen.

Diese Geschichte hat Robin Kool in einem Porträt des Veranstalters Faceit vor zwei Jahren erzählt. Es ist so weit weg von den bunten Scheinwerferlichtern, den glänzenden Trophäen und den gewonnenen Preisgeldern in zahlreichen CS:GO-Turnieren wie nur irgend möglich. Der junge Profi von mousesports ist ein umjubelter und respektierter E-Sportler, der seinen Weg geht. Doch der schmerzliche Verlust ist und bleibt präsent in ropz‘ Leben und hat ihn geprägt.



Aus seinen Gedanken dazu offenbart sich ein Lernprozess und gewordener Teil seiner Identität. Denn ropz ist keiner, der einfach aufsteckt: „Die Leute denken über mich, ich bin ein schmächtiger Junge aus Estland. Aber ich habe in meinem Leben schon so viele Herausforderungen gemeistert, eines Tages den Major-Sieg in Counter-Strike zu holen, ist nur eine davon.“ Das ist keine Drohung, sondern ein ehrenwertes und anspruchsvolles Ziel des heute 20-jährigen Esten.

Robin Kool wuchs in Jõgeva auf mit seinen Eltern und seinen drei jüngeren Brüdern. In der Stadt mit 5.000 Einwohnern begann seine E-Sport-Karriere. Jeder kennt ihn heute in Jõgeva, weil die estländische Presse regelmäßig über ihn berichtet. Aber nicht nur dort, denn ropz ist in seiner gesamten Heimat und darüber hinaus ein Star geworden.

Das Interesse für Computerspiele entdeckte ropz als Dreikäsehoch. Aber vorerst bastelte der kleine Blondschopf lieber an technischen Geräten herum und träumte von einem Ingenieur-Beruf. Im Alter von 15 Jahren schließlich wurde Counter-Strike: Global Offensive das Spiel seiner Wahl. Er wurde nicht einfach nur ein guter Spieler, sondern ein überragender.

Schlafen im Unterricht

„Als ich mit CS ernsthaft begonnen habe, habe ich zehn, elf Stunden gespielt“, sagt ropz. Im Widerspruch dazu standen seine schulischen Verpflichtungen. Denn nachdem er teils bis 2 Uhr nachts gespielt hatte, schlief er am Folgetag manchmal im Unterricht ein. Das gab freilich Probleme mit dem Elternhaus.

Seine Mutter erzählt, dass es daraufhin eine Übereinkunft gab: „Wenn seine Leistungen in der Schule stimmen, darf er an den Computer.“ Ein Trainings-Ende hat ropz trotzdem ungern akzeptiert. „Los jetzt, hör auf mit dem Computer spielen“, schallte es ihm oft entgegen. Weil er nicht hören wollte, kappten seine Eltern kurzentschlossen das Internet.

Irgendwann in dieser Zeit schlug das Schicksal zu: „Es war ein normaler Tag. Ich habe am Abend CS gespielt, als meine Mutter in mein Zimmer kam. Ich sagte ihr, sie solle mich nicht stören, ich sei beschäftigt. Doch sie nahm mich zur Seite und sagte: Robin, es ist etwas Ernstes. Dann hat sie mir erzählt, dass mein Vater Suizid begangen hat.“



Der Zeit der Trauer folgte ein erneuter Aufbruch, um seine Träume im E-Sport zu verwirklichen. Womöglich war der schreckliche Verlust ein noch größerer Antrieb. ropz verbrachte weiter viel Zeit am PC: „Ich wachte um 8 Uhr auf, dann ging ich bis 16 Uhr in die Schule, dann habe ich Training über acht Stunden. Ich sah meine Familie kaum oder meine Freunde. Das sind Dinge, die man dafür opfern muss, um der Beste zu werden“, sagt er.

Er wurde einer der Besten und begann auf Faceit zu spielen. Die Motivation sei gewesen, dass man gutes Geld verdienen könne, sagt er. Der Teenager fiel mit seinen Skills sofort auf und weckte damit zugleich Zweifel an seinem Können.

Cheater, wie kann das sein?

Das erzählt der junge Este im Nachhinein amüsiert: „Keiner wusste, wer ich war - und ich war bis dahin ein absoluter Niemand. Dann habe ich irgendwann begonnen, die offiziellen Wettbewerbe zu spielen. Und alle dachten, ich cheate.“

Das Kuriosum war, dass die, von denen ropz so viel gelernt und zu denen er aufgeschaut hatte, mit zu den Zweiflern gehörten. Früher habe er sich die Fragmovies der Profis angeschaut und „dann nannten sie mich einen Cheater. Wie kann das sein?“ Das Internet zeugt noch heute von den teilweisen Wutausbrüchen der Gegner, angesichts der Fähigkeiten des aus dem Nichts aufgetauchten ropz.

Gelassenheit statt Wutausbrüche

Diesen Wutausbrüchen steht die Gelassenheit des Esten entgegen. Yahoo Esports erzählt ropz: „Ich bin immer gelassen, ich werde niemals wütend, nicht einmal in Streams. Ich konzentriere mich einfach aufs Spiel.“ Dem fügt seine Mutter die Eigenschaft „Bescheidenheit“ hinzu. Wenig bescheiden bleibt der CS-Profi indes im Spiel, denn Frags sammelt er zuhauf und mit spielerischer Leichtigkeit.



Faceit griff nach den Vorwürfen sogar zu drastischen Maßnahmen und flog ropz im März 2017 kurzerhand in sein Headquarter nach London ein. Dort testete der Veranstalter den unter Verdacht geratenen Emporkömmling unter Aufsicht – natürlich bestand er die Nagelprobe. Seine Fähigkeiten seien einfach „außergewöhnlich“, beschreibt ihn mouz-Teamkollege Chris 'chrisJ' de Jong.



Die Verpflichtung durch die deutsche Organisation mousesports kurz danach im April 2017 war ebenfalls ungewöhnlich. „ropz ist nicht wie viele Spieler aus semiprofessionellen Teams nach oben gekommen. Normalerweise geht der Weg über Online- und Offline-Wettbewerbe und dann wird man irgendwann von einem Profi-Team verpflichtet“, sagt chrisJ.

Tritt in große Fußstapfen

Doch ropz trat in große Fußstapfen – die des Starspielers Nikola 'NiKo' Kovač, der zwei Monate zuvor zu FaZe gewechselt war. Zweifler rief das sofort auf den Plan. Natürlich konnte ropz den CS-Veteranen nicht von heute auf morgen Eins-zu-Eins ersetzen. Aber ropz versagte nicht und lieferte von Anfang an eine ansprechende Performance ab.

Bei mouz traf ropz erfahrene Haudegen wie chrisJ, Tomáš 'oskar' Štastný und später Janusz 'Snax' Pogorzelski, von denen er viel lernen konnte. Kurz darauf spielte ropz im Juli 2017 als erster Este überhaupt bei einem CS:GO-Major mit. Von Erfolg gekrönt war das PGL Major Krakow 2017 allerdings nicht. mouz musste bereits in der Gruppenphase die Segel streichen. Doch schon im September feierte ropz das erste Erfolgserlebnis mit dem Gewinn der ESG Tour Mykonos 2017. Weitere Turniersiege folgen in den kommenden Monaten und Jahren.

Nach einem Leistungseinbruch formierte sich mousesports im März 2019 neu um den dänischen Ingame-Leager (IGL) Finn 'karrigan' Andersen. Nur chrisJ und ropz blieben vom vorherigen Lineup übrig. Der erfahrene karrigan hatte einen Plan mit ropz. Er traute ihm die Rolle eines Andreas 'Xyp9x' Højsleth von Astralis zu. Das Vorbild des namhaften dänischen "Clutch-Ministers" verinnerlichte der Este vortrefflich. Teils auf Positionen allein auf sich gestellt, lehrt er den Gegnern mit seinem präzisen Aiming oftmals das Fürchten.



In den folgenden Monaten entwickelte sich mousesports zum absoluten internationalen Spitzenteam. Mit Özgür 'woxic' Eker und David 'frozen' Čerňanský und Coach Allan 'Rejin' Petersen passen die restlichen Mosaikstücke für einen dauerhaften Erfolg. Ende 2019 legte das Team eine beeindruckende Siegesserie hin, die in dem Gewinn der ESL Pro League Season #10 gipfelte und das Team auf die Weltranglistenposition zwei katapultierte. Großen Anteil daran hatte ropz, der von HLTV als zehntbester Spieler des Jahres 2019 ausgezeichnet wurde.

In diesem Jahr gehört mouz weiterhin zur Weltelite, obwohl das Abschneiden beim Major IEM Katowice 2020 enttäuschend verlief. Durch die aktuell grassierende Covid-19-Pandemie spielen die Teams allerdings unter besonderen Bedingungen. Bei der ESL Pro League Season #11 schaffte mouz es erneut ins Finale, unterlag dort aber Fnatic.



Robin "ropz" Kool hat bereits einen langen und erfolgreichen Weg mit zahlreichen Titeln als E-Sport-Profi hinter sich gebracht. Die Zukunft verspricht weitere große Momente. Nun schauen junge Talente zu ihm auf und studieren seine Fragmovies wie er einst die seiner Vorbilder. In seinem Heimatort Jõgeva ist sein Ruhepol. Dort leben seine Familie und Freunde, mit denen er ab und zu Fußball spielt.

Ist er nun wunschlos glücklich? Außenstehende könnten es vermuten. Aber einen unerfüllbaren Wunschtraum trägt ropz stets in sich: "Wenn ich heute zurückblicke, wünschte ich, ich könnte in der Zeit zurückreisen. Dann würde ich meinem Vater sagen, dass ich viel Geld mit Counter-Strike verdiene und wir hätten nicht das Haus an die Banken verloren."

Foto: Helena Kristiansson/ESL

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